Fürs Erste
Unser Buchstreifzug durch die aktuellen Verlagsprogramme Anfang 2017
Hier unsere erste Bücherliste. Mit wiederum elf Buchempfehlungen aus den Wirtschafts- und Sachbuchprogrammen der Verlage am Jahresanfang 2017 - querbeet durch Themen und Disziplinen. Sortiert nach subjektiv bewerteter Wichtigkeit. Bitteschön. Auswahl und Texte: Winfried Kretschmer
Sebastian Olma:
In Defence of Serendipity.
Repeater Books (Penguin Random House), London 2017, 240 Seiten, 14.95 $, ISBN 9781910924341
Es ist paradox: Während alle Welt nach Kreativität schreit, gilt es doch, deren Grundlagen zu verteidigen. Denn Kreativität folgt nicht der Forderung nach mehr, nach immer besseren, innovativeren Ergebnissen. Sie widersetzt sich dem Zwang der Optimierung. Auf Effizienzanforderungen reagiert sie mit Zusammenbruch. Sie braucht den Freiraum: Raum, wo etwas entstehen kann. Aber nicht muss. Das ist der Kern dieses seltsamen Phänomens namens Serendipity, das bei aller Unschärfe des Begriffs doch präzise die Bedingungen von Kreativität beschreibt: zu entdecken, wonach man gerade nicht gesucht hat. Wenn Sebastian Olma, Professor für Autonomy in Art & Design in den Niederlanden, nun schreibt, "Serendipity must be defended!", dann ist das gemeint als Weckruf. Als Warnung davor, dass die dominanten Ideologien von Kreativität und Innovation in Wahrheit die Bedingungen untergraben, die diese möglich machen. Dazu zählt Olma den fehlgeschlagenen Ansatz der Creative Industries, ein fehlgeleitetes Verständnis von sozialer Innovation, die zynischen Praktiken des aufkommenden digitalen Taylorismus und nicht zuletzt den blinden Glauben an digitale Technologie und Entrepreneurship, der den Hightech-Liberalismus aus dem Silicon Valley auszeichnet. Olmas Buch ist ein Plädoyer, Serendipity in die soziale Infrastruktur einzubauen und einen radikalen Weg der Innovation zu beschreiten - in dem Sinne, eine wünschenswerte Zukunft möglich zu machen. Ein wichtiges Buch, dem es gelingt, disparat erscheinende Entwicklungen zusammenzudeklinieren.
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Fritz Breithaupt:
Die dunklen Seiten der Empathie.
suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Berlin 2017, 227 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-518-29796-4
Die subtile Fähigkeit, Annahmen bezüglich der Gedanken anderer anzustellen, zählt zu den faszinierendsten Merkmalen des menschlichen Wesens. "Sie begründet unser gegenseitiges Mitgefühl", schreiben die Ökonomen George Akerlof und Robert Shiller, weisen aber zugleich darauf hin, dass es offenbar auch eine dunkle Seite dieser Fähigkeit gibt: Diese versetzt uns auch "in die Lage, herauszufinden, wie wir andere Menschen dazu verleiten können, Dinge zu tun, die in unserem, aber nicht in ihrem eigenen Interesse sind" - sie zu phishen, sprich übers Ohr zu hauen. Dieses Argument, für Akerlof und Shiller Nachweis eines fundamentalen Marktversagens, ist auch das Thema des neuen Buches von Fritz Breithaupt. In einer breiten Perspektive leuchtet der in den USA lehrende Professor für Germanistik und Kognitionswissenschaften diesen dunklen, im Empathieüberschwang kaum beachteten Bereich aus. Falsche Empathie ist dabei noch die harmloseste Variante - im Extrem geht es um gezielte Erniedrigungen und Grausamkeiten, die möglich werden, eben weil der Mensch über die Fähigkeit zur Empathie verfügt. Doch ins Gegenteil zu verfallen und gegen Empathie zu sein, wäre zu einfach - denn die macht ihn zum Menschen. Es gibt nur kein "einfaches" Dafürsein mehr, betont Breithaupt: ein Dafürsein, das sich aus moralischen Weltverbesserungsambitionen speist. Sein Plädoyer für Empathie gilt der Steigerung von Komplexität, die sie möglich macht: "Unsere Wahrnehmung sozialer Situationen wird genauer und vielfältiger, wenn wir die emotionalen Perspektiven vieler Beteiligter teilen." Wenn wir neugierig sind und bereit, zu lernen.
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Michael Lewis:
Aus der Welt.
Grenzen der Entscheidung oder Eine Freundschaft, die unser Denken verändert hat. Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer, Sebastian Vogel.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2017, 359 Seiten, 24.95 Euro, ISBN 9783593506869
Die Verhaltensökonomie hat einen sagenhaften Aufstieg zur ökonomischen Leitdisziplin genommen. Sie gilt als die Boom-Branche unter den Wissenschaften. Von entscheidender Bedeutung hierfür waren die Arbeiten der israelisch-amerikanischen Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky, die sich in den 1970er-Jahren den Wirtschaftswissenschaften zuwandten. 1979 veröffentlichten sie in der renommierten Fachzeitschrift Econometrica einen Aufsatz, der die damals herrschende Annahme einer grundsätzlichen Rationalität menschlichen Entscheidens fundamental infrage stellte: "Prospect theory: An analysis of decision under risk" erwies sich als die bedeutendste wissenschaftliche Arbeit der beiden Forscher und gehört heute zu den meistzitierten Aufsätzen in den Sozialwissenschaften. Ein wirklicher Durchbruch, wie es ihn nur selten gibt. Gründend auf einer innigen Freundschaft. Die Zusammenarbeit der beiden Forscher war so eng, dass ihre Gedanken zusammenflossen und tatsächlich eine gemeinsame Autorschaft entstand. US-Bestsellerautor Michael Lewis hat nun diese symbiotische Zusammenarbeit zum Thema seines neuen Buches gemacht. Er erzählt dabei nicht nur die Geschichte dieser außergewöhnlichen Freundschaft, sondern auch die eines wissenschaftlichen Durchbruchs, der wohl einmal als Anfang eines fundamentalen Paradigmenwechsels in der ökonomischen Lehre verortet werden wird. Von dem etwas zähen Einstieg abgesehen fulminant erzählt und zudem exzellent belegt. Nicht nur mitreißend zu lesen, sondern auch eine lehrreiche Einführung in eines der spannendsten Gebiete der Sozialwissenschaften.
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Angus Deaton:
Der große Ausbruch.
Von Armut und Wohlstand der Nationen. Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt und Stephan Gebauer.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017, 460 Seiten, 26 Euro, ISBN 978-3-608-94911-7
Ungleichheit ist das Thema der Zeit. Und es ist die Zeit großer Bücher über dieses Thema. Branko Milanović, Anthony B. Atkinson und nun Angus Deaton, der an der Princeton University lehrt und für seine Forschungen über Konsum, Armut und Wohlfahrt 2015 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten hat. In seinem Buch befasst er sich mit dem "ewigen Spannungsverhältnis zwischen Fortschritt und Ungleichheit". Und behandelt dabei nicht nur die eine Seite, wie Fortschritt den Wohlstand der Nationen erhöht, sondern erzählt auch von dem anderen Ende der Skala: von der Armut und davon, wie Fortschritt auch Ungleichheit erhöhen kann. Ihm geht es um beide Seiten: "Das menschliche Leben ist heute besser als zu jedem früheren Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte. [...] Trotzdem erleben noch immer Millionen den Schrecken bitterer Not und vorzeitigen Todes. Die Ungleichheit in der Welt ist enorm." Das Wirtschaftswachstum hat nicht nur Millionen Menschen den Ausbruch aus Armut, Hunger und Krankheit ermöglicht, es hat auch die Kluft wachsen lassen: "Die heutige weltweite Ungleichheit ist weitgehend das Produkt des modernen Wirtschaftswachstums", schreibt Deaton. Ausführlich beschäftigt er sich auch mit der Frage, wie wir denen helfen können, die den Anschluss verloren haben. Dabei kommt er zu radikalen Vorschlägen: Wir sollten endlich der "Hilfsillusion" ein Ende setzen, dem Irrglauben nämlich, die Armut in der Welt könne beseitigt werden, wenn die reichen Länder den armen mehr Geld geben. Deaton plädiert stattdessen für Hilfe durch Beratung, für Freihandel und für eine Globalisierung, die allen nützt. Wie es scheint, gibt es auch in der Entwicklungspolitik kein Weiter-so.
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Joachim Radkau:
Geschichte der Zukunft.
Prognosen, Visionen, Irrungen in Deutschland von 1945 bis heute.
Hanser Verlag, München 2017, 544 Seiten, 28 Euro, ISBN 978-3-446-25463-3
Der Historiker Joachim Radkau, bekannt nicht nur durch seine Biografie über Theodor Heuss und Max Weber, sondern auch durch sein Grundlagenwerk über die Geschichte der Atomwirtschaft, hat sich nun der Geschichte der Zukunftserwartungen in Deutschland zugewandt. Sein Credo: "Der Historiker soll die Menschen vergangener Zeiten verstehen" - dazu müsse er aber auch die damaligen Zukunftserwartungen rekonstruieren. Denn das Denken und Handeln der Menschen wird schließlich auch von ihren Hoffnungen und Befürchtungen beeinflusst - auch wenn diese sich im Nachhinein als übertrieben oder vielleicht sogar gegenstandslos entpuppen. In einer breiten Perspektive erkundet der Autor die Zukunftsgeschichte in ganz unterschiedlichen Themenfeldern. Er sucht nach Prognosen, Szenarien und Visionen, gibt aber auch den Ängsten und Hoffnungen der Menschen Raum. Es ist nicht eine oder die Geschichte der Zukunft, die Radkau schreibt, es ist eine Vielzahl von Zukünften, die in seinem Buch Geschichte schreiben. Das Grundmuster ist dabei: "Die Geschichte der Zukunftserwartungen ist zugleich eine Geschichte der Überraschungen." Sie verläuft im Zickzack. So zeigt sich auch in historischer Perspektive: "Das Grundfaktum bei allem Zukunftsdenken ist die Unsicherheit der Zukunft."
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Lars Jaeger:
Wissenschaft und Spiritualität.
Universum, Leben, Geist - Zwei Wege zu den großen Geheimnissen.
Springer Verlag, Heidelberg 2017, 480 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-662-50283-9
An der Schwelle zu einer neuen Science-getriebenen industriellen Revolution schwingen sich die Wissenschaften zu einer neuen Dominanz auf. Mit rasender Geschwindigkeit werden wissenschaftliche Erkenntnisse in technologische Praxis umgesetzt. Wissenschaftstheoretische Reflexion? Nachdenken über die Grenzen des Wissens? Und darüber, ob alles gemacht werden muss, was technisch möglich ist? Keine Spur. Da ist es gut, wenn mal wieder grundsätzliche Fragen gestellt werden. So fragt Lars Jaeger nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Spiritualität. Und sucht nach den spirituellen Wurzeln der Wissenschaft. Dabei wird er fündig: Da ist einmal der absolute Wahrheitsanspruch, von dem die wissenschaftliche Revolution der Moderne durchdrungen war und von dem sie sich erst in den letzten hundert Jahren einigermaßen lösen konnte. Zum anderen speist sich wissenschaftliche Erkenntnis offensichtlich aus mentalen Zuständen, die dem methodisch strukturierten eigentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisprozess vorgelagert sind. "Glaube, Intuition, Gefühl für Erhabenheit, das Empfinden einer Einheit, pures Staunen über die ‚Wunder der Natur‘, all das sind Bestandteile eines wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses, der ... in der ein oder anderen Form von ‚spiritueller Natur‘ ist." Spiritualität versteht Jaeger dabei im Sinne einer "säkularen Spiritualität", der es eher um den Antrieb zum Wissenwollen geht, nicht ums Glauben. Jaeger will die Verhältnisse klarstellen: "Spiritualität und Wissenschaft sind zwei unterschiedliche und komplementäre Ansätze, die Welt zu erfahren und zu erklären." Paul Feyerabend würde sich freuen.
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Klaus Doppler:
Change.
Wie Wandel gelingt.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2017, 255 Seiten, 28 Euro, ISBN 9783593506784
Der russische Revolutionär Leo Trotzki wollte die permanente Revolution. Die haben wir heute im Grunde längst. Grundlegende Veränderungen passieren in Permanenz. Doch was wird aus Change Management, wenn der Wandel zur einzigen Konstante in einer volatilen Welt wird? Klaus Doppler, Vordenker und Vorreiter des Change Management, hat natürlich Antworten. Die hat er in einem als kompakte Ein-Tages-Lektüre konzipierten Bändchen zusammengefasst: eine kluge, sehr pointiert geschriebene Reflexion über den Wandel. Auf der Höhe der Zeit plädiert Doppler für eine "Flurbereinigung" in den Unternehmen - das meint, radikal alle gewachsenen Gremien zu entfernen, die keine unmittelbare Ergebnisverantwortung haben, und stattdessen neue, flexible und agile Strukturen zu schaffen. Und auf einen neuen Modus flexiblen, experimentellen Handelns umzustellen, also mit lockeren Ad-hoc-Regelungen statt starrer Vorschriften zu agieren. In Zeiten des Wandels sei es für alle eine "zumutbare Zumutung", schreibt Doppler, auf Dauer in "schlampigen Verhältnissen" zu leben. Schön gesagt. Ebenso wie das hier: "Auf jedem Joghurtbecher steht ein Verfallsdatum; dies sollte auch für jedwede organisatorische Lösung gelten. Das würde uns zwingen, alle Normen regelmäßig zu überprüfen."
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Stefan Wachtel:
Executive Modus.
12 Taktiken für mehr Führungswirkung.
Hanser Fachbuch, München 2017, 224 Seiten, 30 Euro, ISBN 978-3-446-44931-2
In einen anderen Modus zu kommen, darum geht es auch dem Topmanagementtrainer und -coach Stefan Wachtel. Er nennt es den "Executive Modus". Und sagt: Führungskräfte müssen in den richtigen Film kommen. Respektive auf Flughöhe. Ziel ist es, Führungswirkung zu entfalten. Statt bloß das Alltagsgeschäft zu managen, "mit den Methoden der Sachverhaltsbehandlung", wie Wachtel süffisant schreibt. Ihm geht es um anderes: um das, was wichtig ist, was Konsequenzen hat. Es geht um Relevanz, Konzentration und Fokussierung. Um Dinge also, die nicht nur für Topmanagementkommunikation von Bedeutung sind. Selbiges gilt auch für die zwölf Eigenschaften (Wachtel nennt es "Taktiken"), die den Executive Modus auszeichnen. Sie beschreiben Veränderungen im Modus des Handelns, die sich auch anderswo in unserer Gesellschaft beobachten lassen. Fünf seien herausgegriffen: von sachlich zu persönlich, von vollständig zu Auswahl, von schriftlich zu mündlich, von Papier zu Aktion, von Rechtbehalten zu "Alles ist wahr!". Präzise beobachtet.
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Tony Hsieh:
Delivering Happiness.
Wie konsequente Kunden- und Mitarbeiterorientierung einzigartige Unternehmen schaffen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Katrin Klein.
Franz Vahlen Verlag, München 2017, 228 Seiten, 26.90 Euro, ISBN 978-3-8006-5414-7
Endlich etwas über Zappos! Der amerikanische Schuh- und Bekleidungshändler, der 2009 von Amazon übernommen wurde, aber als eigenständige Marke weiter besteht, gilt als eines der inspirierendsten Unternehmen weltweit. Ein Unternehmen, das sich ganz anders aufstellt als die gewöhnlichen Organisationen. Nur, Genaues weiß man nicht. Es gibt nicht viele Informationen über das Unternehmen, zumindest hierzulande nicht. So ist es nur zu begrüßen, dass das Buch von Zappos-CEO Tony Hsieh nun endlich auch in deutscher Sprache vorliegt. Das Buch ist in einem sehr persönlichen Stil geschrieben, es bewegt sich zwischen Autobiografie und Unternehmensgeschichte, angereichert mit zahlreichen Originaldokumenten und Kurzbeiträgen von Weggefährten des Autors. Es erzählt von dem schwierigen Weg, das Pionierunternehmen im Onlinehandel in die Gewinnzone zu führen. Und es unterstreicht, welch herausragende Bedeutung die Entwicklung von Beziehungen für die Entwicklung des Unternehmens hat: zu Mitarbeitern, zu Kunden, zu Lieferanten. Es endet dann konsequenterweise dort, wo der Autor seinen ganz persönlichen Fokus gefunden hat: Glück als Kern des Geschäftsmodells. Wie man das umsetzen kann, dazu bietet das Buch zahlreiche Anregungen. Ein dicker Wermutstropfen aber: Wer erwartet hatte, etwas über die Einführung von Holacracy als Organisationsmodell bei Zappos zu erfahren, wird enttäuscht. Zappos hat Holacracy ab 2013 eingeführt, als größtes Unternehmen weltweit. Treibende Kraft: Tony Hsieh. Die deutsche Ausgabe seines Buches aber ist eine nicht aktualisierte Übersetzung der amerikanischen Originalausgabe von 2010. Und enthält damit davon leider nichts. Sehr schade.
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Peter May:
Die Inhaberstrategie im Familienunternehmen.
Eine Anleitung.
Murmann Publishers, Hamburg 2017, 144 Seiten, 29.90 Euro, ISBN 9783867745635
Familienunternehmen erleben seit einiger Zeit eine bemerkenswerte Renaissance. Ihr Erfolg ist offensichtlich, fragt sich nur, woher er rührt. Die Antwort erscheint paradox: Sie sind erfolgreich, gerade weil Gewinn und Steigerung des Unternehmenswertes nicht ihre einzige Antriebsfeder sind. Und vor allem: weil sie das Kurzfristspiel der Konzerne nicht mitspielen. Familienunternehmen sind langfristig orientiert. Ihr Ziel ist es, ein intaktes Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben - 30, nicht drei Jahre sind ihr Horizont. Nicht anders als die zentrale Rolle des Inhabers hat das Konsequenzen für die Praxis der Unternehmensführung: Die ganze an Publikumsgesellschaften ausgerichtete Betriebswirtschaftslehre taugt nicht als Leitlinie - ein Familienunternehmen braucht eine Inhaberstrategie! Sagt Peter May, der damit die Schieflage der akademischen BWL korrigieren möchte. In seinem Buch tut er den Schritt von der Theorie (seinem Grundlagenwerk Erfolgsmodell Familienunternehmen von 2012) zur Praxis. Und beschreibt unmittelbar nachvollziehbar, wie Familienunternehmen eine maßgeschneiderte Inhaberstrategie entwickeln können - von Eigentumsfragen über Werte bis hin zu Strukturen, Aufgaben und Verantwortung.
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Bernd Oestereich, Claudia Schröder:
Das kollegial geführte Unternehmen.
Ideen und Praktiken für die agile Organisationsform von morgen.
Verlag Franz Vahlen, München 2016, 320 Seiten, 34.90 Euro, ISBN 9783800652297
Hatten wir schon im Dezember. Steht aber "2017" vorne drin. Also noch mal, weil wichtig: Lean, Scrum, Netzwerkorganisation, Soziokratie, Holakratie, Agilität, Design Thinking, Unternehmensdemokratie. Wer vermag eigentlich noch genau zu sagen, was die breit gestreuten Ansätze zu einer grundlegenden Neuorganisation von Unternehmen im Einzelnen auszeichnet? Was sie gemeinsam haben und was sie unterscheidet? Diese Unübersichtlichkeit hat auch damit zu tun, dass es vor allem Berater sind, die zum Thema Organisationsmodelle publizieren. Ihnen geht es meist darum, ihren Beratungsansatz herauszustellen. Auf wessen Schultern sie stehen, spielt dabei keine große Rolle. Jetzt aber gibt es ein Buch, das genau diese systematisierende Kärrnerarbeit leistet. Und mehr noch: in einer integrierenden Perspektive zeigt, wie sich die unterschiedlichen Modelle miteinander kombinieren lassen. Geschrieben haben es zwei Autoren, die Theorie und Praxis vereinen: Bernd Oestereich und Claudia Schröder sind Autoren, Trainer und Coaches und haben die Transformation ihrer eigenen Firma oose Innovative Informatik in ein kollegial geführtes Unternehmen initiiert. "Kollegiale Führung" heißt dabei: "Führungsarbeit statt Führungskräfte". Oder ausführlicher: "Kollegiale Führung ist die auf viele Kollegen und Kolleginnen dynamisch und dezentral verteilte Führungsarbeit anstelle von zentralisierter Führung durch einige exklusive Führungskräfte." Es geht also darum, Führung in der Organisation zu verteilen, so wie Wissen und Können längst verteilt sind. Interessant dabei: Der Begriff kommt ohne "-kratie", also Herrschaft aus. Und macht das Thema neue Organisationsformen anschlussfähig für die Sprache, die in den klassischen Arbeitnehmervertretungen gesprochen wird: An die Führung, Kollegen! Dieses Buch ist ein Meilenstein in der Debatte um neue, anpassungsfähige Organisationen.
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